Interviewreihe Teil 3, mit Guido Bosbach
Guido
Bosbach ist: Organisationsanalyst & -mentor | Mathematiker | Quer-und
Neudenker | Ideengeber | überzeugter Macher & Unterstützer | Empathischer
Logiker und Mitinitiator der Initiative Wirtschaftsdemokratie. Guido
Bosbach berät Unternehmen zu Change Management, Führungskultur und vielen
weiteren Aspekten einer neuen, durch Wertschätzung geprägten Arbeitswelt
Die
Diskussion ist im vollen Gange und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass
HR, also das Personalwesen in deutschen Unternehmen derzeit maßgebliche
Probleme hat. Nicht überall aber dennoch auffällig, denn mittlerweile ist die
Diskussion sogar in den Massenmedien angekommen. Grund genug die Experten zu
Wort kommen zu lassen, denn hier werden sich sicherlich viele Interessante
Sichtweisen offenbaren und am Ende könnte so ein differenziertes Bild
entstehen. Vielleicht eine interessante Sammlung für jeden Personaler, der
es zukünftig besser machen und auch wieder bei Unternehmensentscheidungen
mitreden will.
Lieber
Guido Bosbach, wie erleben Sie derzeit die Personalarbeit in deutschen
Unternehmen?
Nicht wirklich anders als vor 10 Jahren - zumindest, was die Massen an Unternehmen betrifft. Sicherlich sieht man kleine Veränderungen. Aber das auch in der Personalarbeit wichtige Thema der digitalen Transformation ist bislang nicht überall angekommen.
Personalarbeit versteht sich heute - in meiner Wahrnehmung - noch immer als „das zur Verfügung stellen von Fähigkeiten und Werkzeugen in Form von Menschen“. Dabei könnte Personalarbeit heute - mit einer stärkeren Ausrichtungen auf die Thema Vision, Kultur & Führung, ein wichtiger Erfolgsfaktor für Organisationen sein.
Welche
Herausforderungen sehen Sie in Zukunft vermehrt für die Personalarbeit in
deutschen Unternehmen?
Wie
gesagt, die Digitale Transformation steckt hier oft noch in den Kinderschuhen.
Beispiel Recruiting. Hier liegt die Erwartung der zukünftigen Mitarbeiter auf
einem schnellen und transparenten Prozess der mir zeigt, dass ich im
Unternehmen als Individuum willkommen bin und mein (zukünftiger) Beitrag in
seinem Wert (und damit in meiner Person) geschätzt wird. Wenn Sei dann auf eine
Online Bewerbung eine Antwort von der Mailadresse „Ihre_Karriere-keine_Antwort@wirsindmitunsselbstbeschäftigt.de
bekommen, dann lässt dies tief blicken.
Zweites
Beispiel, wieder Recruiting. Wie wichtig die Kultur für den Erfolg ist pfeifen,
nicht nur aufgrund der vielen Studien zu diesem Thema, die Spatzen von den
Dächern. Dennoch sind mind. 90% aller Ausschreibungen und Recruiting Prozesse
auf die Identifikation von Skills ausgerichtet. Werte und die großen
Zielvorstellungen der Kandidaten spielen da keine Rolle. Viele lernen das Team
mit dem sie „performen“ sollen erst am ersten Arbeitstag kennen. Dabei wäre
Abhilfe so einfach. Ein Team-Lunch in der Bewerbungsphase einzubauen oder den
Kandidaten zu fairen Bedingungen eine Arbeitsprobe erbringen zu
lassen.
Drittes
Beispiel: Führungskräfteentwicklung. Prof. Heike Bruch - eine der führenden
Köpfe in der Forschung zum Thema Personalarbeit - sagte einmal, dass die
durchschnittliche Führungskraft in 2 1/2 tagen auf diese Rolle vorbereitet
wird. Die fachliche Ausbildung zum schwierigsten und wichtigsten
unternehmerischen Thema, „Menschenführung“ nimmt da im Vergleich zur sonstigen
Ausbildung die ja meinst zwischen 3 und 5 Jahren dauert vergleichsweise wenig
Raum ein. Wie ich finde, ein fataler Fehler den man als Unternehmen und noch
deutlich mehr als „Untergebener“ - welch schreckliches Wort - immer wieder zu
spüren bekommt. Dabei ist der ROI für Führungskräfteentwicklung und deren
Begleitung im Alltag durch einen Mentor oder Coach extrem kurz. Aber
Investitionen in Menschen sind leider zu wenig en vogue.
Ganz
einfach: mutig sein und sich für das Unternehmen einsetzen. Die Vision guter
Personalarbeit könnte sein: Menschen so zusammenzubringen, dass Kultur und
Führung als Erfolgsfaktoren sichtbar werden.
Welche
Fehler, oder Verhaltensweisen sollten aus Ihrer Sicht in Zukunft vermieden
werden?
Der
Fehler keine Fehler machen zu wollen und sich als Erfüllungsgehilfe für die, in
Menschenführung und Personalauswahl, meist kaum qualifizierten Führungskräfte
zu verstehen. Damit macht sich ein Teil der Personaler allerdings
mittelfristig arbeitslos. Sind erstmal Führungskräfte tatsächlich dazu befähigt
Werte und Kultur und die Kandidatenauswahl einfließen zu lassen, dann werden
auf viele Personaler neue, andere und wichtige Herausforderungen zukommen.
Welche
Gefahren sehen Sie für das Personalwesen, wenn an den bestehenden Mustern
festgehalten werden sollte?
Die
Unternehmen für die sie arbeiten, werden nicht mehr die Mitarbeiter finden die
für den Erfolg sorgen. Sie werden damit selbst irgendwann ihren Job los. Lieber
den Wandel angehen, als vom Wandel übergangen zu werden.
Hand
aufs Herz, welche Daseinsberechtigung hat die Personalarbeit in Ihren Augen. Ist
Sie aus Ihrer Sicht vielleicht sogar überflüssig?
Gute
Personaler können eine unglaubliche Menge an Gutem für ein Unternehmen und vor
allem für die Menschen darin tun. Schlechte Personaler vergraulen die
Mitarbeiter. Die einen sind enorm wichtig, die anderen sollte man
schnellstmöglich loswerden.
Gibt
es noch weitere Aspekte die Sie mitteilen möchten?
Nur eines: Personaler werdet mutiger! Es lohnt sich für
euch, die Menschen im Unternehmen und das Unternehmen selbst.
Vielen lieben Dank, dass
Sie sich die Zeit und Mühe gemacht haben, mir die Fragen zu beantworten.
Ihre Sichtweise ist ein Teil im Mosaik der Möglichkeiten und Notwendigkeiten.
Es gibt viel zu tun, packen wir es an.
Möchten
Sie Ihre Meinung zu dem Interview und der allgemeinen Fragestellung teilen?
Hinterlassen Sie einen Kommentar oder beteiligen Sie sich an der Diskussion in
der Xing Gruppe Arbeit.Zeit.Leben (Arbeit.Zeit.Leben - Quo Vadis
Personalwesen)
Hallo Stefan,
AntwortenLöschenvielen und herzlichen Dank für diesen Artikel und den Ausführungen von Herrn Bosbach.
Beim Lesen ist mir in vieler Hinsicht das Herz und die Seele als Senior Recruiter aufgegangen. Auch bin ich, wie oben beschrieben, mit schöner Regelmäßigkeit mit meinen Ansichten und meiner eher wertorientierten und nachhaltigen Arbeitsweise bei einigen Arbeitgebern angeeckt.
Besonders schlimm finde ich dabei, dass i.d.R. bei der heutigen "Plug-and-Play"-Mentalität alle Seiten nicht nur auf der Strecke bleiben, sondern auch massig Zeit verschwendet wird.
Das Talent muss die negative Bewerbungserfahrung (Candidate Experience) über sich ergehen lassen. Der Arbeitgeber verliert Zeit und evtl. auch Geld (z.B. bei zeitlichen Projektüberschreitungen) oder schlimmstenfalls seine Kunden. Kunden und Projekt- oder Geschäftspartner warten ewig auf Umsetzungen oder Ergebnisse. Die Fehlerquote steigt, die Qualität leidet und keiner kann dort optimal nachhalten.
Wie gerade (24.10.2014) geschehen, können dann auch noch Steuergeräte falsch programmiert werden und zu bösen Wirkungen führen (Airbag Rückruf) - also die allgemeine Eile eventuell zu solchen Ergebnissen führen. OK, dass ist natürlich nur plakativ gemeint und vermutet, aber das immer schneller, immer passende Fachkräfte rekrutiert werden möchten, ist auch nicht von der Hand zu weisen. ;-)
Ich wünsche daher den professionellen Recruitern (m/w) weiterhin viel Erfolg und den "weniger professionellen" HR-Abteilungen oder Arbeitgebern dann viel Glück in Zukunft.
Mit freundlichen Grüßen
Marc Mertens
Lieberr Marc,
AntwortenLöschender Schlachtruf auf allein Seiten der Personalszene sollte sein: Professionelle, Menschenorientierte Arbeit basierend auf Werten, Innovation, Wertschätzung und Berufsethos.
Alle Kollegen sollten sich zunächst fragen, würde ich mich als Bewerber in unserem Unternehmen wohl fühlen. Ich glaube als einigermaßen professioneller HRler kann man sich in vielen Fällen die Frage selbst beantworten: "Nein ich genüge meinen eigenen Ansprüchen nicht"... Nächste Frage, würde ich selbst auff meine Position passen, wenn ich meinen eigenen Ansprüchen nicht genüge? Wieder Nein als Antwort.... Nächste Frage wer Qualfiziert mich hierzu: Mein eigener Antrieb, hoffentlich mit Hilfe des Unternehmens... Nächste Frage, warum stelle ich Plug and Play ein und qualifiziere nicht, wenn ich selbst qualifiziert werden müsste? Genau, weil mir langsam klar wird dass ich einem üblen Fehler aufgesessen bin. Es gibt keinen perfekten Kandidaten egal was auch immer auf Papier steht, das ist geduldig.
In diesem Sinne, schönes Wochenende.
Stefan